Sitzung: 16.03.2016 Rat
Beschluss: Abstimmungsergebnis: einstimmig beschlossen
Vorlage: 2016/Amt 20/00238
Beschluss:
Der
Rat nimmt das geplante Vorgehen zur Übertragung Strom- und
Gasnetze der EWV auf die 100%-Tochtergesellschaft regionetz zu Kenntnis und
stimmt ihm zu.
1. Ausgangssituation
Die
EWV Energie- und Wasser-Versorgung GmbH (EWV), an der die Stadt Heinsberg einen
Geschäftsanteil von 0,003 % am Stammkapital hält, ist Inhaberin von Strom- und
Gaskonzessionen in einer Vielzahl von Städten und Gemeinden in ihrem
Versorgungsgebiet und Eigentümerin der entsprechenden Strom- und Gasnetze. Die
Netzbewirtschaftung erfolgt durch die hundertprozentige Tochtergesellschaft
regionetz GmbH (regionetz) auf Grundlage von Pachtverträgen.
EWV
beabsichtigt zur wirtschaftlichen und regulatorischen Optimierung des
Netzgeschäfts das Eigentum an den Strom- und Gasnetzen auf die regionetz zu übertragen.
Voraussetzung für die Umsetzung der Übertragung des Netzeigentums ist die
steuerneutrale Übertragung der Netze von der EWV auf die regionetz in Form
einer Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG).
Der
Aufsichtsrat hat in seiner Sitzung am 17. Dezember 2015 nach ausführlicher
Beratung seine Zustimmung erteilt und eine entsprechende Empfehlung zur
Zustimmung der Übertragung an die Gesellschafterversammlung ausgesprochen.
2. Regulatorischer
Hintergrund
Die
Entgelte für die Nutzung der Netze durch die Lieferanten von Strom und Gas
unterliegen der Kostenprüfung durch die zuständigen Regulierungsbehörden. Die
Erfahrungen der zurückliegenden Prüfungen zeigen, dass durch ein
Auseinanderfallen von Eigentum an den Strom- und Gasnetzen bei EWV einerseits
und Pensionsrückstellungen für Mitarbeiter des Netzbetriebs bei der regionetz
andererseits ein regulatorischer Nachteil besteht:
Der
regulatorische Nachteil besteht im sogenannten negativen Eigenkapital auf Ebene
der regionetz, das wiederum zu hohen negativen Eigenkapitalzinsen führt. Diese
reduzieren die im Rahmen der Prüfung anerkennungsfähigen Netzkosten. Die
wirtschaftliche Folge aus diesen bilanziellen Effekten ist eine Verringerung
der Erlösobergrenze und somit der Ertragsmöglichkeiten der regionetz. Im
Ergebnis erzielen EWV/regionetz daher nicht die volle regulatorisch mögliche
Verzinsung des in den Netzen gebundenen Kapitals. In der Folge fallen die
Gewinnausschüttungen der EWV an ihre Gesellschafter geringer aus als ohne den
regulatorischen Nachteil.
Im
Verlauf von Anhörungsverfahren zur Festlegung der Erlösobergrenzen für die
zweite Regulierungsperiode wurde deutlich, dass die Bundesnetzagentur –
abweichend vom Vorgehen der Landesregulierungsbehörde NRW – auf dieser
restriktiven und vor allem für Netzbetreiber im Pachtmodell deutlich
nachteiligen Regulierungspraxis beharrt. Zur Minimierung dieses Risikos mit
Blick auf die kommende Kostenprüfung wurden alternative Ansätze hinsichtlich
ihrer Umsetzbarkeit und ihres Lösungspotenzials geprüft und bewertet. Die
Bewertung orientiert sich am aktuellen Regulierungsrahmen. Von einer
wesentlichen Änderung der Risikolage ist nach derzeitiger Einschätzung auch im
Zuge der zu erwartenden Novellierung der Anreizregulierungsverordnung nicht
auszugehen. Die durchgeführten Analysen führen zu dem Ergebnis, dass die
Übertragung des Eigentums an den Versorgungsnetzen Strom und Gas von EWV auf
regionetz die höchste Sicherheit zur Vermeidung negativen Eigenkapitals bietet.
3. Wirtschaftliche und
bilanzielle Auswirkungen
Die
Umsetzung der Eigentumsübertragung wird unter der Prämisse der Fortführung des heutigen Regulierungssystems im
Vergleich zur Fortführung des Status-Quo zu einer Ergebnisverbesserung im
Netzbereich von rd. 1,2 Mio. EUR p.a. (715 T€ Strom und 451 T€ Gas) ab der
dritten Regulierungsperiode (2018ff.) führen. Sollte entgegen der bereits
geführten Gespräche mit der LRegB NRW die Assetübertragung für das Gasnetz
(Fotojahr 2015) nicht anerkannt werden, so vermindert sich der Vorteil auf rd.
700 T€ p. a. in der 3. Regulierungsperiode. Diesem Vorteil stehen einmalig
anfallende Kosten der Umsetzung der Asseteinbringung i. H. v. knapp 600 T€
gegenüber (Beraterkosten, Verwaltungsverfahrenskosten, Notarkosten, u.a.).
Die
Übertragung des Netzeigentums von der EWV auf die regionetz hat bei Betrachtung
der konsolidierten Bilanz der EWV und der regionetz keine Auswirkungen: In der
EWV-Bilanz findet ein reiner Aktivtausch statt. Die Position „langfristiges
Vermögen“ verringert sich, dafür steigt die Position „Beteiligung an
regionetz“. Bei der regionetz steigt auf der Aktivseite der Posten
„langfristige Vermögen“, auf der Passivseite verschwindet das negative
Eigenkapital zugunsten eines hohen positiven Betrags. Aufgrund der
Konzernstruktur bleiben in der Konzernbilanz die Position „Langfristiges
Vermögen“ und die Bilanzsummen unverändert im Vergleich zur Konzernbilanz vor
der Eigentumsübertragung.
4. Steuerliche
Implikationen
Aus
steuerlicher Sicht bedarf es für den Netzübergang einer steuerneutralen Eigentumsübertragung im Wege der
Ausgliederung eines steuerlichen Teilbetriebs. Dazu fand im November ein Vorgespräch mit der zuständigen
Finanzverwaltung (Finanzamt Aachen)
statt. Aus dem Gespräch haben sich keine grundsätzlichen Hindernisse für die
Anerkennung des steuerlichen Teilbetriebes ergeben.
5. Ausgliederung der
Netze nach dem Umwandlungsgesetz
Im
Rahmen der steuerneutralen Eigentumsübertragung ist das Eigentum an den Strom- und Gasnetzen im Wege eines
notariellen Ausgliederungsvertrags nach § 123 Abs. 3 UmwG von der EWV auf
die regionetz zu übertragen. Dies soll rückwirkend zum
1. Januar 2016 in Form einer Ausgliederung zur Aufnahme gem. § 123
Abs. 3 UmwG erfolgen. Dieser Termin ist vor dem Hintergrund des sog. Fotojahres
in der Regulierungspraxis wichtig, damit die o.g. Effekte ab der nächsten
Regulierungsperiode (2018ff.) greifen. Für eine Rückwirkung des steuerlichen
Teilbetriebes zum 1. Januar 2016 muss die Ausgliederung formal
(vertraglich und buchhalterisch) bis zum 31. August 2016 erfolgen.
Das
Umwandlungssteuerrecht sieht zwingend vor, dass dem übertragenden Rechtsträger
ein Geschäftsanteil am übernehmenden Rechtsträger gewährt wird. Dazu ist eine
Erhöhung des Stammkapitals der regionetz erforderlich, die in der Höhe von
1.000,00 EUR vorgesehen ist. Da die EWV einzige Gesellschafterin der regionetz
ist, hat diese Kapitalerhöhung keine weiteren wirtschaftlichen Auswirkungen.
6.
Beschlussnotwendigkeit und Anzeigeverfahren
Die
Kommunalaufsichtsbehörden sehen solche Umstrukturierungsvorgänge als
wesentliche Veränderungen im Rahmen der kommunalen Beteiligungsgesellschaften
an und fordern daher, dass zu solchen Vorgängen Ratsbeschlüsse gefasst werden,
bevor die kommunalen Vertreter in den Beschlussgremien der
Beteiligungsgesellschaften ihre Zustimmung erteilen, vgl. § 108 Abs. 6 GO.
Dieser hier zu fassende Beschluss ist im Sinne des § 115 GO der
Kommunalaufsicht (hier der Bezirksregierung Köln) anzuzeigen.
Der
Ausgliederungsvertrag bedarf somit der Beschlussfassung in der
Gesellschafterversammlung der EWV und der regionetz. Um einen rechtzeitigen
Vollzug des Netzübergangs im Handelsregister zu gewährleisten, müssen alle
Gesellschafter der beiden beteiligten Unternehmen EWV und regionetz aus
formalen Gründen neben der Zustimmung zum Ausgliederungsvertrag auch den Verzicht
auf die Erstellung eines Ausgliederungsberichts und einen Klageverzicht
erklären. Die dafür erforderliche Beschlussfassung in den
Gesellschafterversammlungen der EWV und regionetz sollen in einer Sondersitzung
vor der Sommerpause 2016 erfolgen.
Der
Entwurf des Ausgliederungsvertrages (ohne Anlagen zum Ausgliederungsvertrag)
war der Sitzungsvorlage als Anlage beigefügt.